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Beitrag vom 17.07.2012
Alle AVIVA-Updates zu den Pussy Riots. NEU: Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa sind frei, der Protest gegen Putin geht weiter
Wagner, Wösch, Adler
Nachdem Marija Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Samuzewitsch für ihren dreiminütigen Auftritt in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau zu zwei Jahren Straflager verurteilt...
... wurden, laufen die Solidaritätsbekundungen ungebremst weiter.
Aufruf des internationalen literaturfestivals berlin (ilb):"In den letzten Wochen hat die russische Justiz die Chance vertan, die infame Strafverfolgung von Pussy Riot zu beenden. Nicht nur das Urteil in der ersten Instanz, sondern bereits die Tatsache, dass ein Prozess gegen die Künstlerinnen geführt wurde, ist ein Skandal. Er ist signifikant für das System Putin, das ganze Generationen künstlerisch, kulturell und zivilgesellschaftlich mundtot zu machen versucht.
Das internationale literaturfestival berlin und AutorInnen und Intellektuelle aus aller Welt verneigen sich vor Nadeschda Tolokonnikowa, Jekatarina Samuzewitsch, Maria Alechina, die mit ihrer Kunstaktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale und ihrem kompromisslosen Verhalten während des Prozesses, der Welt gezeigt haben, dass es ein anderes Russland gibt, das sich weder von dieser Kirche, noch von der politisch herrschenden Klasse die Art und Weise ihres Ausdrucks verbieten lässt. Angesichts der diktatorischen Züge des Systems Putin, das unter anderem mit dem permanenten Veto im UN-Sicherheitsrat im Bund mit China, zuletzt im Fall Syrien, den Gehalt ihres Demokratie- und Menschenverständnisses offenbart, ist die Solidarisierung mit Pussy Riot und den zivilgesellschaftlichen Institutionen, die durch neue Gesetze in Russland kriminalisiert werden, eine europäische, eine internationale Notwendigkeit: die Verteidigung von Menschenrechten.
Das ilb hat im August KünstlerInnen und Intellektuelle, Schulen und Universitäten, Radiound Fernsehstationen, Theater und andere Kulturinstitutionen zu einer weltweiten Lesung in Solidarität mit Pussy Riot und den demokratischen Instanzen Russlands
am 12. Dezember 2012 aufgerufen – dem Tag, an dem im Jahr 1993 durch eine allgemeine Volksabstimmung die Verfassung der Russischen Föderation durch die DUMA angenommen wurde. Nicht Pussy Riot unterläuft die Demokratie Russlands, sondern diejenigen, die danach trachten, die Errungenschaften der sanften Revolution zunichte zu machen. Gelesen werden sollen Passagen aus den Statements von Pussy Riot vor Gericht.
Das ilb wird die Texte
ab dem 15. November 2012 in Englisch, Deutsch, Russisch und anderen Sprachen auf seiner Website
www.literaturfestival.com publizieren.
Alle InteressentInnen, die sich an der Lesung beteiligen möchten, wenden sich bitte bis zum 30. November 2012 an: worldwidereading@literaturfestival.comDem Aufruf des ilb haben sich bisher angeschlossen:
Hector Abad, Zsuzsa Bánk, Jeanne Benameur, Mirko Bonné, James Byrne, Amir Hassan Cheheltan, Bora Cosic, Marie Darrieussecq, Dorothea Dieckmann, Arnd, Gretel & Beatrice Dossi, Reimer Eilers, Peter Faecke, Dieter M. Gräf, Gintaras Grajauskas, Lars Gustafsson, Alban Nikolai Herbst, Uwe Herms, Hendrik Jackson, Willi Jasper, Elfriede Jelinek, Lidija Klasic, Peter Kleiß, Mario Vargas Llosa, Ekke Maaß, Norman Manea, Alberto Manguel, Sonja Margolina, Amanda Michalopoulou, Bart Moeyaert, Melinda Nadj Abonji, Tim Parks, Elisabeth Plessen, Martin Pollack, Santiago Roncagliolo, Annika Scheffel, Robert Schindel, Jenny Schon, Raoul Schrott, Sjón, Rebecca Solnit, C.K. Stead, Antje Rávic Strubel, Hans Thill, Ted van Lieshout, Vladimir Vertlib, Herbert Wiesner, Oksana Zabuzhko und Jenni Zylka."
Seit März 2012 sitzen die drei Aktivistinnen in Untersuchungshaft. In Moskaus Erlöserkathedrale hatten sie für eine Befreiung von Putin "gebetet". Unterschreiben Sie die
Petition zur Freilassung von Maria Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Sanzewitsch!Die Mitglieder der
Pussy Riot nennen sich selbst eine Punkband. Seit Ende 2011 stürmten die
feministischen Aktivistinnen mit laut gebrüllten Texten wie
"Nieder mit den Sexisten, den verfickten Putinisten." Laufstege bei Modenschauen, öffentliche Plätze und am 21. Februar, kurz vor den Präsidentenwahlen, die Erlöserkathedrale in Moskau. Ihre Auftritte sind meist sehr kurz, sehr laut und sehr bunt. Auch in der Kirche konnten sie nur etwa eine Minute ihr Punk-Gebet performen, bis sie von Sicherheitsleuten abgeführt wurden.
In bunten Kleidern und gestrickten Gesichtsmasken, ihre Markenzeichen, riefen sie
"Jungfrau Maria, vertreibe Putin!", warfen sich vor dem Altar auf den Boden und tanzten wild, verursachten dabei im Gebäude jedoch keinen Schaden. Sie
protestierten gegen eine erneute Herrschaft Putins, die enge Verbindung der Russisch Orthodoxen Kirche mit dessen Regierung und klagten die patriarchal geprägte russische Gesellschaft an.Ihre Verhaftung und die wiederholte Verlängerung der Untersuchungshaft hat international Empörung hervorgerufen. Amnesty International erklärte:
"Selbst wenn die drei verhafteten Frauen an den Protesten beteiligt gewesen waren, ist die Schwere der Reaktion der russischen Behörden – die Inhaftierung und Beschuldigung des Rowdytums – keine berechtigte Reaktion auf die friedlichen Äußerung ihrer politischen Überzeugungen.”Eigentlich sollten die drei Frauen, Aljochina und Tolokonnokowa sind Mütter kleiner Kinder, schon im April entlassen werden. Der neue Termin ist der 24. Juli. Die Anklage hat mittlerweile drei Gutachten erstellt, wobei sie sich auch auf eine Synode aus dem siebten Jahrhundert beziehen sollen, die das Tanzen in Kirchen untersage.
RechtsexpertInnen sind sich allerdings einig, dass die Protestaktion nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit sei. Die Gruppe
Pussy Riots und ihre UnterstützerInnen sind überzeugt, dass der besonders harte Umgang mit den Aktivistinnen politische Gründe hat und letztendlich Putin selbst das Urteil bestimmen wird. Amnesty International hat die Putin-Kritikerinnen als politische Gefangene anerkannt.
Ein
Video zeigt, wie Nadeschda Tolokonnikowa dem Gericht vorgeführt wird und sich – in einem Käfig eingesperrt – zu der Verhandlung äußert. Sie fordert ihr Recht ein, alle Protokolle der ZeugInnenaussagen vollständig lesen zu dürfen und klagt an, dass einige der Aussagen im Wortlaut identisch seien.
Maria Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Sanzewitsch geben nicht auf. Maria und Nadeschda haben ihren Hungerstreik zwar wegen gesundheitlicher Probleme beendet, Jekaterina hat dagegen vergangene Woche erklärt, aus Protest die Nahrungsaufnahme zu verweigern.
Der Fall wird inzwischen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beobachtet und die Verteidung plant, sich außerdem an den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu wenden.
In Russland verbreitet sich der Protest gegen diesen politisch motivierten Schauprozess. KünstlerInnen, und Intellektuelle, darunter sogar eher Putin-freundliche, wie die Schauspielerin Tschulpan Chamatowa, haben sich schon öffentlich gegen die harte Verfolgung ausgesprochen. Wie der Fall ausgehen wird, bleibt allerdings nach wie vor unklar.
Unterschreiben Sie die
Petition von Amnesty International, USA zur sofortigen Freilassung von Maria Aljochina, Nadeschda Tolokonnikowa und Jekaterina Sanzewitsch!
Am 31. Juli fand ein Soli-Konzert im Cassiopeia mit
Anti-Flag statt.
Die US-amerikanische Punkband gab mit den BerlinerInnen von
Radio Havanna und
Smile & Burn ein Benefizkonzert für die inhaftierten Aktivistinnen der Pussy Riot. Anti-Flag hatte angekündigt, auch deren Punk-Gebet
Virgin Mary, redeem us of Putin auf englisch covern zu wollen. Mit diesem Song ist die regimekritische Band in der Moskauer Erlöserkathedrale aufgetreten.
Das Cover des Punk-Gebets ist bei
soundcloud zu hören.
Das Konzert ist auf 200 BesucherInnen begrenzt, die Erlöse gehen an Pussy Riot.
Weitere Informationen unter:www.freepussyriot.orgARD-Bericht: Rußland: Keine Gnade für Riot-Girls3sat-Bericht:Keine Gnade. Kremlkritische Band Pussy Riot weiter in HaftDie Standard: Zwei Pussy Riots geben Hungerstreik aufrp-online:Pussy Riot bleiben bis Ende Juli in U-HaftSpiegel Online: Russische Sponti-Truppe Pussy Riot. Überfallkommando mit HäkelmützenWeiterlesen auf AVIVA-Berlin:Pussy Riot - Ein Punkgebet für FreiheitDer Fall Chodorkowski – ein Film von Cyril Tuschi